Manuel Franke – Achat
Von Anja Schürmann
»Das Auf und Ab der Farbe« (Daniel Buren)
Zwei Flüsse ziehen sich durch die U-Bahn-Station am Graf-Adolf-Platz.
Von Westen und von Osten kommend münden sie unterirdisch nach rund 1000
Quadratmetern Fläche im Süden. Die Flüsse sind nicht blau, sie sind
lila, fast grau, ihr Flussbett leuchtend grün. Achat, so nennt Franke
seine Station, kann so nicht aussehen. Achate, die unter oxidierenden
Bedingungen entstehen, sind in der Regel nicht grün. Aber violett:
Franke hat zwei Glasschichten im Siebdruckverfahren lila und grün
bedruckt, um dann das grüne, obere Glas zu manipulieren: Auf 170 Platten
hat er das Grün weggenommen, mit Lappen, Schwämmen, Spachteln und
Spritzen bearbeitet, mit Lösungsmitteln und Luft, um die
charakteristische Wellenform und unregelmäßige Struktur eines Achats zu
erhalten.
Dabei ist nicht nur bemerkenswert, wie akkurat Franke die Übergänge und
Verläufe im Vorfeld skizziert haben muss, sondern auch die
Detailgenauigkeit der Ausführung: Denn der gräulich-lilafarbene Strom
zeugt von den Spuren seiner Bearbeitung, er gibt seine Gemachtheit frei
und lässt an einigen Stellen erahnen, wie die Glasscheibe vom Künstler
behandelt wurde.
Die Zweischaligkeit wiederum gibt dem ›Stein‹ Tiefe:
Konturen und Schatten lassen die Struktur ständig zwischen spiegelnder,
leuchtendgrüner Künstlichkeit und realem Gesteinseindruck pendeln, wobei
die Wände den Blick nicht in eine präzise Richtung lenken, sondern ihn
in ein harmonisches, sehr dekoratives Spiel aus Fläche und Grund
versenken.
Immer schon wollte der Mensch Erdanatomie betreiben, ins
Innere der Erde. Auch der Bildhauer Manuel Franke scheint niemand zu
sein, der die Welt als Weinberg begreift, lieber als Steinbruch: Nicht
nur Werktitel wie malachit legen davon Zeugnis ab, auch seine
künstlerische Vorgehensweise, die immer wieder Räume infrage stellt,
verändert, materiell auslöst oder mit großer Geste stört, wie in einer
riesigen orangen Wand 1999 in Esslingen. Lila und Grün, diese
Farbkombination haben Manuel Franke und Leni Hoffmann erneut 2014 im
Malkasten aufgegriffen. Eine Rezension nannte sie damals „dekorativ und
drüber zugleich“ und tatsächlich bilden Lila und Grün in der Farbtheorie
von Harald Küppers einen Komplementärkontrast.
Wenn man sich allerdings
fragt, was das Skulpturale an Frankes Gestaltung sei, muss man
begreifen, dass Plastik und Skulptur als Begriffe keine Synonyme sind.
Bei Plastiken wird aus einer formbaren Masse ein Objekt modelliert, die
Skulptur entsteht aus dem Abtragen von nichtflexiblem Material. Im Stein
oder im Holz wird bei der Skulptur die Form geborgen, immer auch ist
sie Resultat der natürlichen Sedimentation und arbeitet mit der
Maserung, den Einschlüssen oder anderen Formen der Ablagerung. Plastiken
sind frei von solchen Vorgaben: Das Material ist nachgiebig, die Größe
noch nicht festgelegt und es bietet dem Bildhauer an, jede erdenkliche
Form annehmen zu können.
Als Mineral ist der Achat beides: Plastik und
Skulptur, gebildet und gefunden zugleich. Denn Achate entstehen nur in
Hohlräumen, in Löchern im Stein. Sie brauchen oft eine vulkanische
Blase, um zu wachsen, eine Blase, die auch abgetragen, gefunden,
freigelegt werden muss wie eine Skulptur.
Geht man in die U-Bahn-Station
am Graf-Adolf-Platz, ist man bereits nach wenigen Metern in einer
solchen Blase, im Achat, dessen Struktur Manuel Franke in Glas übersetzt
hat. Und man kann gar nicht anders, als diesem Fund und seiner
mineralischen Spur folgen zu wollen.
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